Es begann mit einer einfachen Beobachtung. In meinem Hof, wenige Meter entfernt voneinander, blühten zwei Dostpflanzen (Origanum vulgare): die eine in ihrem gewohnten, zart-magentafarbenen Kleid – die andere überraschend reinweiß. Zunächst war es ein Kuriosum.

Doch dann teilte ich diese Beobachtung auf Instagram und Facebook und es kamen darauf Bestätigungen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum: weißer Dost taucht überall auf Wildflächen auf, neben der klassischen Farbe und teilweise übernimmt er das Zepter.

Und nicht nur beim Dost – auch weiße Blüten des Stinkenden Storchschnabels (Geranium robertianum) wurden gesichtet, wo zuvor Rosa und Magenta dominierten. Seither erblicke ich immer wieder solche Kuriositäten und fand ich sogar eine Zitronenmelisse (Melissa officinalis), die statt weiß in einem Zart-Rosa blühte.

Hier passiert gerade etwas, dachte ich, ging in mich, studierte die Fachliteratur und kam zu folgendem Schluss.

Naturwissenschaftlich betrachtet: Pigmente und Atmosphäreneinflüsse

Ein Blick in die Fachliteratur zeigt, dass die weiße Blütenfarbe kein Novum ist: Die Gattung Origanum zeigt eine extreme morphologische und chemische Plastizität. Laut der umfassenden Monografie „Oregano: The genera Origanum and Lippia“ (Kintzios, 2002) sind sowohl inter- als auch intraspezifische Schwankungen der ätherischen Öle, Pigmente und Pflanzenmerkmale dokumentiert.

Selten ist das Auftauchen der weißen Farbe also nicht. Es gibt sogar schnell auffindbare Stockfotos mit Dost in weißem Blütenkleid. Aber die große Präsenz und teilweise „Übernahme“ der bisherigen Erscheinung ist doch auffällig.

Der berühmteste Attar ist Attar of Roses: Hellbraune verzierte Flasche vor einem Hintergrund voller Rosenblüten.

Für die charakteristische Magentafärbung der Blüten sind Anthocyane verantwortlich – wasserlösliche Pflanzenfarbstoffe, die zur Gruppe der Flavonoide gehören. Sie dienen der Pflanze als Schutz besonders bei starken Umwelteinflüssen.

Zu geringerer Anthocyan-Ausbildung würden z. B. führen:

  • eine geringere UV-Strahlung
  • eher gleichbleibende Temperaturen (wenig Hitze- und Kältestress)
  • mehr Stickstoff und Phosphor im Boden (was in Wildflächen eher selten ist)
  • und indirekt auch erhöhtes CO₂ in der Luft, weil dies zu verbesserter Photosynthese führt, mehr Wachstum, eventuell „Entstressung“

Doch vieles davon lässt sich in unseren Beobachtungen nicht bestätigen.

Mit Sicherheit spielen noch andere Umwelteinflüsse eine Rolle, die wir aktuell nicht bedenken. Strahlung, Schwingung als Möglichkeiten seien hier einmal erwähnt. Wir haben gerade einen Peak der Solaraktivität erreicht und als Pflanze mit hoher Sonnensignatur reagiert der Dost vielleicht besonders darauf. Naturwissenschaftlich handelt es sich um eine epigenetische Modulation, also um eine veränderte Genaktivität aufgrund äußerer Reize.

Für mich ist dies aber ganzheitlich: Verändert sich etwas in der Materie, verändert sich auch was im Geist. Ganz im Sinne der Untrennbarkeit von Körper und Geist. Wilhelm Reich sagte: “Jeder psychische
Impuls ist funktional identisch mit einer bestimmten somatischen Erregung. Ein Sprung vom Psychischen ins Somatische ist unvorstellbar, denn die Annahme zweier unterschiedlicher Bereiche ist falsch.” Es ist ein und der selbe Bereich, die zwei sind nicht getrennt. Wie im Kleinen, so im Großen: Auch unsere Natur ist einerseits körperlicher, andererseit geistiger Ausdruck.

Pflanzliche Signaturen und das wandelbare Auge

In Die Signaturenlehre, wie etwa jene von Paracelsus, geht davon aus, dass Pflanzen durch Form, Farbe, Geruch und Verhalten anzeigen, mit welchen Kräften sie resonieren. Sie sind lebendige Archetypen, Spiegel von Planetenkräften, Organzugehörigkeit und seelischen Zuständen.

 

In der Signaturenlehre wurde der Dost oft als eine mit Venus, Mars und Sonne aspektiert gesehen:

  • Venus für Farbe, Wohlgeruch, Aphrodisiakum
  • Mars für Reiz, Durchblutung, Entzündungshemmung
  • Sonne für die energetisierende Kraft seiner ätherischen Öle

 

Doch gerade die Venus-Zuordnung gerät ins Wanken, wenn wir genauer hinsehen. Dost wirkt aktivierend, entkrampfend, stoffwechselstärkend. Früher fand er sich in Listen als Aphrodisiakum. Doch verstand man darunter viel mehr als heute und bezog es eher ganzheitlich auf Lebenslust und Unterstützung, das Leben wieder zu spüren. Das ist eher ein solares Prinzip, das Dost mit seinem hohen Ätherisch-Öl-Gehalt schon deutlich trägt. Nicht Venus ist hier am Werk, sondern die Sonne in ihrer regulierenden Kraft. Ja, der Dost trägt gewöhnlich rosafarbene Blüten, und seine würzigen Blätter fühlen sich sanft und weich an. Es ist ein schöner Kontrast zur Feurigkeit der enthaltenen ätherische Öle, eine Harmonie, die damit vermittelt wird. Damit trägt er durchaus venusischen Charakter. Doch, meine ich, geht es tiefer und die Farbe ist ein zartes Magenta – und das zeigt auf eine ganz andere Qualität.

Vielleicht ist genau dieses Nicht-mehr-Zutreffen der Venus selbst schon das Zeichen: Es ist nicht mehr Venus, die wir hier wahrnehmen. Es ist ein anderer Planet, der sichtbar wird. Einer, der durch das spricht, was sich entzieht. Einer, der keine klare Signatur hinterlässt, sondern eine Schleierwirkung, eine Verwischung, eine Irritation.

Neptun: Verschleierung, Transzendenz, kollektive Erinnerung

In der modernen astrologischen Archetypenlehre steht Neptun für das Grenzenlose, das Unsichtbare, das Kollektiv. Er ist Planet der Träume, der Intuition, aber auch der Vernebelung, des Schocks und der Auflösung. Während Venus verbindet, will Neptun entgrenzen.

Betrachten wir die weiße Blüte des Dost, so könnten wir rein formal versucht sein, sie dem Mond zuzuordnen – weiß, weich, scheinbar kühlend. Doch der Kontext irritiert: die Farbe passt nicht zum Duft, der mondenhaft eher betörend einhüllend wäre. Und wir wissen von der eigentlichen Farbe, die sich nun versteckt. Neptuns Farben sind magenta, violett bis dunkelblau (alles mit gewisser Intensität) und weiß (ebenso intensiv – anders als Mond).

Das weiße Erscheinen des Dost – synchron, flächendeckend, über viele Regionen hinweg – ist kein klassischer Selektionsprozess. Die Pflanzen sind äußerlich identisch, unterscheiden sich weder im Duft noch in der Wuchsform von ihren magentafarbenen Nachbarn. Es ist, als schwingten sie auf einer anderen Frequenz.

Der berühmteste Attar ist Attar of Roses: Hellbraune verzierte Flasche vor einem Hintergrund voller Rosenblüten.

Und genau das verweist auf uns. Denn wir nehmen die Signaturen wahr und sind damit Teil dieses Systems.

Wir haben bisher mit der Signaturenlehre nicht falsch gelegen, aber weil wir uns selbst ändern, kollektiv entwickeln, andere Zeitqualitäten erleben, verändert sich unser Blick und tritt etwas ins Bewusstsein, was vorher auch schon da war, aber einfach nicht relevant.

Signaturen sind kein statisches System, sondern ein Resonanzfeld. Wenn sich unser Bewusstsein wandelt, nehmen wir neue Schichten wahr. Pflanzen zeigen uns das, was im kollektiven Feld gerade gebraucht oder gespiegelt wird.

Das war ein Schock: Oreganoöl und seine Schattenseite

Mit „Dost“ bezeichnen wir das Wildkraut hierzulande, was wir in der Küche als Oregano kennen. Es ist ein und dieselbe Pflanze. Als Ätherisch-Öl-reiches Küchenkraut war es auch in der Aromatherapie bekannt, doch irgendwie nie im Fokus. Das änderte sich in den letzten Jahren, als es uns quasi einen aromatherapeutischen Schock verpasste:

In verschiedenen Wellness- und MLM-Kreisen (Multi-Level-Marketing) wurde plötzlich die innere Einnahme von Oreganoöl propagiert: als „natürliches Antibiotikum“, als „Immunbooster“, als „Entgiftungskur“. Meine eigene Zunft, Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker, hat das recht unkritisch übernommen und es ist ein Kampf gegen Windmühlen immer wieder daran zu erinnern, dass Oreganoöl Gefahren birgt und man aromatherapeutisch ausgebildet sein sollte, um das wirklich verstehen und abwägen zu können.

 

Die unkritische Verbreitung dieser Praxis hatte Konsequenzen:

  • Extreme Reizung der Schleimhäute
  • Störungen der Darmflora (und auch Hautflora, wenn daran öfter mal gebadet wird)
  • Leberschädigungen
  • systemische Entzündungsreaktionen

Oreganoöl ist extrem konzentriert und enthält hohe Mengen an Carvacrol, einem potentiell reizenden Phenol. In der Aromatherapie weiß man: Nie innerlich ohne genaue Indikation und (Medikamenten-)Anamnese und nie länger als wenige Tage.

 

Bekannt sind auch systemische allergische Reaktionen (mir ist ein Krankenhausaufenthalt bekannt, bei dem gerade so das Leben gerettet werden konnte) sowie Schwangerschaftsvorfälle (100% kontraindiziert in der Schwangerschaft!).

So wird das Heilmittel plötzlich zum kollektiven Schockerlebnis. Diese Dynamik zeigt auf eine ganz wichtige Indikation von Neptunpflanzen: Sie helfen bei Schock, lassen Verdrängtes bearbeiten und ermöglichen auch kollektive Rückeroberungen.

Immerhin erobern wir uns mit Oregano auch die Power der Natur in der Heilkunde zurück, die eben nicht nur ein sanftes „Komplementärgeplänkel“ ist.

In diesem Kontext erklärt sich dann auch das gleiche Blütenfarbenphänomen des Stinkenden Storchschnabels, dessen Urtinktur in der Naturheilkunde schon lange bei Schock und Traumata Verwendung findet. Auch er scheint uns deutlich zu signalisieren, dass wir bei ihm (und uns) die Neptun-Ebene wahrnehmen dürfen.

Überhaupt ist mit der Degradierung von Pluto zu einem Zwergplaneten zurzeit Neptun der letzte Planet in unserem Sonnensystem und bekommt dadurch neue Aufmerksamkeit. Ein neunter Planet ist nach wie vor postuliert, um gewisse Bewegungen im Kuipergürtel erklären zu können. Für den Moment aber, sind alle „Planeten-Augen“ auf Neptun gerichtet.

Der Dost-Archetyp als Lehrer der Abgrenzung und Selbsterkenntnis

Wer über das Thema von Oregano in meinem 2. Buchband „Vom Geist in der Flasche“ gelesen hat, dem wird jetzt so einiges vielleicht besser verständlich. Denn dort schreibe ich bereits über die Indikation des Duftes bei Überforderung durch Grenzüberschreitung und durch das Verschwimmen unserer Seins-Grenze. Neptun pur.

Der Oregano-Duft, wie auch die wilde Dost-Pflanze helfen, unsere Grenzen zu verstärken, neuen Verletzungen damit vorzubeugen und dann in einer Introspektion zu schauen, auf welchen falschen Seins-Bildern unsere Schwäche beruhte.

 

Fazit: Die neue Lesbarkeit der Pflanzenwelt

Wir leben in einer Zeit, in der sich nicht nur die Welt, sondern auch unsere Wahrnehmung darauf verändert. Der weißblühende Dost ist kein Zufall. Er ist ein Zeichen. Er macht unsere Rolle in der Archetypen-Lehre bewusst und zeigt, dass sich Signaturen verschieben, weil sich Resonanzfelder verschieben. Und dass das, was wir heute in einer Pflanze sehen, nicht identisch ist mit dem, was wir noch vor zwanzig Jahren sahen.

Weiß ist nicht mehr nur Mond. Es ist heute auch Neptun. Nicht weil sich die Farbe verändert hat, sondern weil wir heute mehr sehen können. Und vielleicht ruft uns der Dost, in seiner stillen, neuen Gestalt, dazu auf: Schaut genauer. Lauscht tiefer. Verbindet euch neu. Erobert eure Kraft zurück. Sie ist nur verschleiert gewesen.

So entwickeln Pflanzen wirkliche Heilkraft: Es braucht unser Bewusstsein, unser Nachsinnen, unser Öffnen. Also dann: Gibt es den weißen Dost auch bei dir in der Nähe? Oder zeigen sich andere Wildpflanzen in bisher ungewohnter Blütenfarbe? Gesell dich zu ihnen, rieche sie, bestaune sie, vertiefe dich in sie und lass los, sodass sie etwas in dir wandeln können.

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